KEIN ALPTRAUM – BITTERE REALITÄT!

Bitte setzen Sie sich - lassen Sie Ihr Denken und Fühlen frei werden - wirklich frei !

ZEHN

Zehn ... Entspannen Sie sich und ...
Stellen Sie sich eine durchschnittliche Familie (IHRE ?) in Europa oder den USA vor - mit zwei Kindern, Mutter, Großmutter, Vater, in einem Häuschen am Rand der Stadt, mit geregeltem Leben, Freunden, Ferien, wohlgenährt, gesund und munter.

NEUN

Neun ... Atmen Sie tief durch und ...
Nun nehmen sie das Haus weg und packen die ganze Familie in die Garage. Nehmen Sie das Auto weg, die Fahrräder, das Telefon, den Fernseher, den Rasenmäher, das Kinderspielzeug - eigentlich Alles. Errichten Sie in der Garage eine Zwischenwand aus alten, dünnen Jutesäcken und stellen Sie ein Bett für die Erwachsenen sowie eine Pritsche für die Kinder in das hintere Abteil, die Kochtöpfe und die sonstigen Haushaltsutensilien in das vordere. Post, Polizei, Feuerwehr, Krankenhaus oder andere öffentliche Dienste gibt es nicht mehr - alles ist privatisiert, kommerzialisiert, unbezahlbar. Die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft hat sich bereits selbst aufgefressen.

ACHT

Acht ... Bleiben Sie ruhig, auch wenn es nicht leicht ist, und ...
Reißen Sie die Elektrizitäts- und die Wasserinstallationen heraus. Licht spendet nachts eine rußende und stinkende Petroleumlampe. Als Waschbecken am Morgen und Abend dient eine allgemeine Wasserstelle in der Nachbarschaft, die Hunderte von Menschen mitbenutzen. Die öffentliche Wasserleitung ist geborsten. Das Wasser aus der Handpumpe ist einen Kilometer entfernt und braun. Doch von dort müssen Sie nun auch das Wasser zum Kochen holen, denn die Pfützen mit schlammigem Regenwasser vor der Garage können selbst kaum zum Wäschewaschen benutzt werden. Die Toilette ist der kahle Streifen neben dem Pfad hinter der Schlafzimmerwand. Der langsame Fluss der stinkenden Brühe aus Abwasser und Fäkalien lässt den früheren Bach erkennen.

SIEBEN

Sieben ... Alle Ihre körperlichen Gefühle konzentrieren sich jetzt auf Ihren Bauch und ... Behalten Sie den Holzkohlengrill, denn von jetzt an werden Sie nur noch mit Holz, Holzkohle, Dung oder sonstigen brennbaren Abfällen kochen, heizen oder die nasse Wäsche trocknen. Nehmen Sie die Haustiere weg. Geben Sie statt dessen Dutzende Kakerlaken, Wanzen und Flöhe dazu. Tauschen Sie die Schmetterlinge im Garten gegen Moskitos, die Singvögel gegen Krähen, die Meerschweinchen der Kinder gegen hungrige und kranke Ratten aus.

SECHS

Sechs ... Sie dringen noch tiefer in das Leben und Empfinden Ihrer Familie ein und ...
Nun nehmen Sie das Dach der Garage weg und ersetzen es mit rostigem, löchrigem Wellblech. Die Unterkunft wird so bei Regen in eine nasskalte Höhle und bei Hitze in eine Hölle verwandelt, was einem das letzte bisschen Verstand aufweicht oder herausbrennt. Die Kinder Ihrer Familie haben keine Schulprobleme, denn Geld um die Schule zu bezahlen, die Schulkleidung oder gar Lehrbücher, Stifte oder Hefte, gibt es nicht. Der Freund Ihrer Tochter bleibt häufig auch über Nacht. Er hat keine eigene Familie mehr, denn sie kamen bei der Flucht aus ihrem Dorf alle um. Der Bruder der Mutter ist Dauergast und versteckt sich hier vor den Häschern der Miliz. Noch bringt er manchmal etwas zu Essen mit.

FÜNF

Fünf ... Atmen Sie tiefer, auch mit jeder Pore Ihrer Haut, und ...
Nehmen Sie allen die Klamotten weg - bis auf zwei geflickte Hosen und abgewetzte Hemden oder zwei von anderen abgelegte Kleider für jeden Erwachsenen sowie ein zerlumptes T-Shirt für jedes Kind. Schuhe gibt es nicht mehr. Der Kleiderschrank wird gegen Mehl getauscht. Als Vater und Ehemann fragen Sie nicht, wieso oder woher Ihre Frau noch manchmal etwas Geld hat, und als Mutter darf es Sie nicht mehr beunruhigen, wenn Ihr Mann häufig nachts unterwegs ist.

VIER

Vier ... Geben Sie auf sich immer noch beschützt zu fühlen und ...
Nehmen Sie die Garagenwände weg. Ersetzen Sie diese durch plattgehämmerte Ölfässer, ein paar Reste benutzter Bauholzplatten, einige irgendwo ergatterte, schmutzige Kartonfetzen und aufgeschlitzte Plastiktüten. Nehmen Sie den Fußboden heraus - und ersetzen Sie ihn durch gar nichts. Stellen Sie ein Reisigbündel hin, um den nackten Boden zu fegen. Der Boden im früheren Garten ist verseucht mit Altöl und noch nicht einmal Gras wächst dort. Streunende Katzen durchwühlen den Abfall vor dem Eingang, dessen Tür Diebe schon so oft aufbrachen, dass sie jetzt gar nicht mehr schließt. Etwas zu besitzen grenzt an Selbstmord.

DREI

Drei ... Fühlen Sie mit dieser, Ihrer Familie und ...
Vervierfachen Sie die Anzahl der Kinder. Wenn sich die Mutter zwischen der ersten Menstruation und den Wechseljahren befindet, ist sie entweder schwanger oder stillt. Die älteste Tochter hat bereits selbst ein Kind, dessen Vater ist tot - AIDS. Eine der mittleren beiden Töchter ist schwanger. Es überleben jetzt vierzehn Menschen unter diesem Dach. Die Kinder schlafen von nun an auf dem Boden im Vorraum. Bett und Pritsche im hinteren Teil sind mehr Lager- als Ruhestätte. Intimität gibt es nicht mehr. Die jüngste Tochter und die beiden jüngeren Söhne sind gerade beschnitten worden, um von Verwandten und Nachbarn nicht angefeindet zu werden. Die Freier Ihrer älteren Töchter bezahlen nur noch mit ein paar Lebensmitteln, die entweder gestohlen sind oder von der Müllhalde hinter dem letzten Ghetto der Reichen stammen.

ZWEI

Zwei ... Öffnen Sie nun alle Ihre Sinne und ...
Geben Sie den Gestank, das hungrige Weinen der kleinen Kinder, die Seufzer der Alten, das Stöhnen aus Leid oder letzter Lust, das Gebrüll der Männer und das Geschrei der Frauen dazu, und sorgen Sie dafür, dass das Geplärre und die Werbung aus dem Radio nie verstummen. Das Jucken der Moskitostiche ist nichts gegen die Schmerzen der Kranken, die sich nicht behandeln lassen können. Und jetzt nehmen Sie noch allen die Jobs weg. Hunger und Verzweiflung bestimmen das Bild.

EINS

Eins ... Nun schließen Sie Ihre Augen und lehnen Sie sich zurück, gehen Sie alle Schritte von Zehn bis Eins noch einmal durch - mit all Ihrer Vorstellungskraft. Geben Sie alles dazu, was Ihnen an weiteren Schrecklichkeiten einfällt und nehmen Sie Ihrer Familie auch noch das letzte Gute und Schöne weg. Wenn Sie dann erneut bei Eins angekommen sind und Sie der nackte Horror packt ... dann bist Du angekommen: bei

NULL !

Null ... Willkommen in der Zukunft Deiner Kinder ! Willkommen in der heutigen Realität für Millionen von Menschen - besonders in Afrika und Asien, aber auch in zunehmendem Maße in den Amerikas, in Europa und Ozeanien. Die Probleme in den meisten Städten sind kaum mehr friedlich zu lösen. Und die Verwüstung und Verarmung auf dem Land treibt nur noch mehr Menschen in die Slums. Und wenn sich dann noch die Natur gegen die Menschen wendet und Hochwasser kommt, sich Schlamm, stinkende Abfälle und Fäkalien in die Behausung wälzen, dann ... wird es unvorstellbar - jedenfalls für diejenigen, die noch in Frieden leben, ohne permanenten Hunger, ohne ständige Krankheit, ohne Angst vor dem Morgen.

HILFE ! Hilfe ? Hilfe von außen gibt es nicht und wenn dann nur unter unerfüllbaren Auflagen und Bedingungen. Die wirtschaftliche und politische Versklavung von Menschen im angehenden 21. Jahrhundert, unter dem Postulat falschverstandener Demokratie, ist weit schlimmer als die ursprüngliche Sklaverei. Die Peitsche der Geldeintreiber schlägt tiefere Wunden. Wer aufmuckt ist ein Terrorist.

HOFFNUNG ! Hoffnung ? Hoffnung gibt es weder auf eine Verbesserung der Lage am Ort noch durch Flucht, denn die Meisten haben ja noch nicht einmal die Mittel um den Bus zu bezahlen - und dann wohin ? Auch ein Davonlaufen bietet keine Lösung, denn Freiräume, also Freie Lebensräume mit Freier Atemluft, Freiem Trinkwasser, Freier natürlicher Nahrung gibt es nicht mehr. Auch die Freie Natur gibt es meist nur noch gegen Bezahlung. Und selbst die letzten für zahlende Gäste reservierten Paradiese verschwinden. Hilfe und Hoffnung für Menschen in Not werden in Wirklichkeit ganz klein geschrieben, obwohl uns die Massenmedien, die staatlichen Stellen oder die oft nur auf eigenes Wachstum ausgerichteten großen Hilfsorganisationen zu versichern versuchen, dass Hilfe geleistet wird. Helfer werden aus eigener Not oft selbst zu asozialen Wesen, Organisationen zu Handlangern politischer Drahtzieher, der Banken oder Industrien, der Kirchen oder Militärs.

AUSWEGE ? Einen Ausweg gibt es noch ! Dessen Wegweiser sind:

* RESPECT: Respektiere stets das Überlebensrecht allen Lebens - von Kreatur und Natur.
* SELBSTBESINNUNG: Jedes Individuum, jede Familie, jedes Volk hat diese Kraft.
* SELBSTBESCHRÄNKUNG: "Lebe einfach, damit andere einfach nur leben können !"
* VERWEIGERUNG UND WANDEL DER OEKONOMIE: Fort mit dem Aberglauben an eine Marktwirtschaft, die nur funktionieren kann, wenn ihr Wachstum sichergestellt ist - was heute fast nur noch über Kriege, militär-politische Aktionen oder Sanktionen, über Wirtschaftskämpfe oder andere Formen der nackten Ausbeutung zu erzielen ist.
FÜRSORGE: Sorge dafür, dass es zwei Menschen, die nicht zu Deinem Volk gehören, durch Deine selbstlose Hilfe besser geht und wirke gleichzeitig mit, dass - weder von Dir noch von Deiner Familie oder Deinem Volk ausgehend - anderen Menschen oder der natürlichen Umwelt Schaden zugeführt wird. Dann ist ein Ausgleich möglich und der
AUSWEG auch für Dich und Deine eigenen Kinder noch offen. Die eigene Nische zu finden, in der DU nicht schadest, ist die Überlebenssicherung für ALLE !
Beginne selbst damit heute – nicht erst oder nur zu Weihnachten!

© John Bamau

Wenn die Welt ein Dorf wäre… 

Wenn man die Weltbevölkerung auf ein 100 Seelen zählendes Dorf reduzieren würde und dabei die Proportionen aller auf der Erde lebenden Völker beibehalten würde, wäre dieses Dorf folgendermaßen zusammengesetzt:

57 AsiatInnen
21 EuropäerInnen
14 AmerikanerInnen (Nord-, Zentral- und Südamerika)
8 AfrikanerInnen.

Es gäbe

52 Frauen und 48 Männer
30 Weiße und 70 Nichtweiße
30 ChristInnen und 70 NichtchristInnen
89 Hetero- und 11 Homosexuelle
6 Personen besäßen 59 % des gesamten Reichtums und alle 6 kämen aus den USA
80 lebten in maroden Häusern
70 wären AnalphabetInnen
50 würden an Unterernährung leiden
1 wäre dabei zu sterben
1 wäre dabei geboren zu werden
1 besäße einen Computer
1 (ja, nur einer) hätte einen Universitätsabschluss.

Wenn man die Welt auf diese Weise betrachtet, wird das Bedürfnis nach Akzeptanz und Verständnis offensichtlich.


Du solltest auch folgendes bedenken:

Wenn Du heute morgen aufgestanden bist und eher gesund als krank warst, hast Du ein besseres Los gezogen als die Millionen Menschen, die nächste Woche nicht mehr erleben werden.

Wenn Du noch nie einen Krieg erlebt hast, in der Einsamkeit der Gefangenschaft, im Todeskampf der Folterung oder im Schraubstock des Hungers warst, geht es dir besser als 500 Millionen Menschen.

Wenn Du zur Kirche gehen kannst, ohne Angst haben zu müssen bedroht, gefoltert oder getötet zu werden, hast Du mehr Glück als 3 Milliarden Menschen.

Wenn Du Essen im Kühlschrank, Kleider am Leib, ein Dach über dem Kopf und einen Platz zum Schlafen hast, bist Du reicher als 75 % der Menschen dieser Erde.

Wenn Du Geld auf der Bank, in Deinem Portemonnaie oder sonst wie in Reserve hast, gehörst Du zu den privilegiertesten 8 % Menschen dieser Welt.

Wenn Du diese Nachricht liest, bist Du zweifach gesegnet: zum einen, weil jemand an Dich gedacht hat, und zum anderen, weil Du nicht zu den 2 Milliarden Menschen gehörst, die nicht lesen können.

 

Natur-Völker

Indigene Völker oder Urvölker haben sich früher in einem Gebiet angesiedelt als die übrige Landesbevölkerung. Von dieser unterscheidet sie auch ihr ethnischer Ursprung. Als Minderheiten sind die indigenen Völker einem großen Anpassungsdruck ausgesetzt, der sie in ihrer kulturellen Eigenart und damit existenziell bedroht.

Nach Schätzungen leben etwa 300 Millionen Ureinwohner in mehr als 70 Ländern. Die rund 5000 kulturell unterschiedlichen Gemeinschaften weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf, vor allem ihre besondere Beziehung zur Natur. Obwohl es einzelnen Urvölkern gelungen ist, eine gewisse Autonomie zu erlangen, sind sie generell an den Rand der dominierenden Gesellschaft gedrängt.

Heute sind die letzten Naturvölker – es handelt sich um 4,8 Prozent der Weltbevölkerung – in ihrer Existenz bedroht, und ihre Lebensgrundlagen werden zerstört. Dies geht bis zu Vertreibung und Völkermord. Die Lebensgrundlagen werden durch Abholzung, Bergbau oder durch Atomtests zerstört. Man kann in diesem Zusammenhang die Yanomami in Brasilien, deren Gebiete die Goldgräber besiedeln, die Penan in Malaysia, die von den Holzfällern und von der Regierung vertrieben werden, oder die Ogoni in Nigeria nennen, wo der internationale Konzern "Shell" Interessen hat. Und ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. Wenn man von Globalisierung spricht, dann muss man auch miteinbeziehen, dass die westlichen Industriestaaten Interesse an den Rohstoffen haben, die zum Teil nur mehr in diesen abgelegenen Gebieten zu finden sind.

Es geht vor allem darum, die Landrechte der indigenen Völker zu sichern und die Rechte dieser Völker festzuschreiben, damit es nicht zu Vertreibungen kommen kann. Dabei geht es nicht um irgendwelche romantischen oder idealistischen Vorstellungen, sondern es geht um Forderungen, die von den Völkern selbst formuliert werden.

Ich nenne in diesem Zusammenhang zum Beispiel unser aller Interesse an der Erhaltung des Regenwaldes. Der Regenwald wird nur dann überleben, wenn ihn die Menschen, die ihn seit Jahrtausenden besiedeln, so bewirtschaften, dass Mensch und Natur gemeinsam leben können. Nur dann wird der Regenwald für alle erhalten bleiben!

Beispiele:

Die Bishnoi

Die Ogiek

 

Faire Chancen statt Almosen

40 Jahre staatliche Entwicklungshilfe - aber die Armut auf der Welt ist noch gewachsen. Auch wenn die Hilfe doppelt oder dreifach so hoch wäre, unzureichend bliebe sie doch. Stattdessen: Schluss mit den Importzöllen und den Exportsubventionen für landwirtschaftliche Produkte der reichen Länder

Von Thilo Bode - 2002

Es gibt politische Forderungen, die unterschreibt jeder: den Mittelstand fördern, die Familien unterstützen und eben auch die Entwicklungshilfe erhöhen. Wer hätte etwas dagegen, das Elend in der Dritten Welt zu besiegen? 1,2 Milliarden Menschen leben unter der Armutsgrenze, also mit weniger als einem Dollar pro Tag, und nach dem Willen der Vereinten Nationen soll der Anteil der Armen auf der Welt bis 2015 halbiert sein.

Die Bekenntnisse zu höherer Hilfe - so auch wieder anlässlich der UN-Konferenz zur Finanzierung der Entwicklung vergangenen März in Monterrey - sind jedoch scheinheilig. Tatsächlich sinkt die Hilfe seit einem Jahrzehnt kontinuierlich; statt der international vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes geben die Industrieländer im Schnitt nur noch 0,22 Prozent (Deutschland 0,27). Noch bedenklicher ist allerdings, dass die Wirksamkeit dieser Zuwendungen nicht ernsthaft diskutiert wird - eine neue deutsche Regierung sollte dies endlich tun. Die wenigen ausführlichen Analysen zu diesem Thema haben die Institutionen der Entwicklung selbst erstellt oder in Auftrag gegeben, sie sind also nicht objektiv.

Diejenigen Länder, die heute ein hohes Wirtschaftswachstum und Erfolge im Kampf gegen die Armut vorweisen können, also nicht nur die kleinen "asiatischen Tiger" Taiwan, Südkorea oder Singapur, sondern auch Staaten wie Thailand, China oder Indien, hätten dies auch ohne Entwicklungshilfe erreicht. Der Nutzen der Kredite zur Entwicklungshilfe besteht für sie in dem Mitnahmeeffekt des mindestens 25-prozentigen Zinsvorteils gegenüber Marktzinsen für die Finanzierung von Projekten, von denen sie die meisten ohnehin realisiert hätten.

Außerdem ist der Anteil der Entwicklungshilfe an den Bruttoinvestitionen in Indien, China oder Thailand volkswirtschaftlich bedeutungslos, er liegt bei kaum mehr als einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Geht man lediglich von der Zinsdifferenz als "Hilfe" aus, verschwindet dieser Anteil im Promillebereich.

In den ärmsten Ländern hat die Entwicklungshilfe größere Bedeutung. In Afrika südlich der Sahara erreicht ihr Anteil an den inländischen Bruttoinvestitionen etwa 20 Prozent und pro Kopf 21 Dollar im Jahr. Dennoch hat sich die Lage in dieser Region drastisch verschlechtert. Die Zahl der Armen ist gestiegen, der Hunger hat zugenommen, Bürgerkriege wüten, viele Staaten zerfallen. Die Entwicklungshilfe steht vor einem Scherbenhaufen. Oder hätte sie einfach nur höher sein müssen?

Korrupte Regime gefördert

Paradoxerweise ist es gerade ihr relativ größeres Gewicht, das diese negative Entwicklung mitverursacht hat. Als Instrument der Außenpolitik im Kalten Krieg hat die staatliche Entwicklungspolitik korrupte Regime dauerhaft subventioniert, politische Reformen damit verhindert und indirekt die Bevölkerung bluten lassen. Darunter leidet Afrika noch heute. Der korrupte, milliardenschwere Diktator Sese Seko Mobutu, ehemaliger Präsident von Zaire, der sein Land in Grund und Boden gewirtschaftet hat, wurde noch durch westliche Entwicklungshilfe alimentiert, als seine Durchstecherei selbst für afrikanische Verhältnisse unappetitliche Ausmaße angenommen hatte. Aber Mobutu galt - eine völlig abwegige Bewertung - eben als Bollwerk gegen den Kommunismus.

Nach Ende des Kalten Krieges bestehen gewichtige strukturelle Defizite der Entwicklungshilfe fort. Besonders negativ wirkt sich aus, dass die staatliche Entwicklungshilfe von den Geberländern als Dauersubvention der in den Empfängerländern an der Macht befindlichen Elite und Bürokratie konzipiert ist. In undemokratischen Systemen, vor allem in den tribalistisch organisierten Staaten Afrikas, bevorzugt das von Regierung zu Regierung fließende Geld auf der Seite der Nehmerländer einseitig die jeweils herrschenden Stämme und Clans. Das hat fatale Auswirkungen.

Die ungleiche Verteilung trug zu vielen schrecklichen Bürgerkriegen bei. Etwa in Somalia, wo sich der Clan des ehemaligen Präsidenten Siad Barre so lange bereicherte, bis die anderen Clans zurückschlugen. Oder in Burundi, wo die Gelder der Entwicklungshilfe bei den herrschenden Tutsis hängen blieben, während die unterdrückte Landbevölkerung, vornehmlich Hutus, nicht davon profitieren konnte. Die dadurch verursachte soziale Schieflage ist mitschuldig an dem entsetzlichen Gemetzel zwischen den beiden Volksgruppen. Diese Liste ist beliebig verlängerbar.

Der Charakter der Hilfe als eine von den Gebern diktierte zwischenstaatliche Dauersubvention erzeugt nicht nur eine schlimme "Nehmermentalität", sondern entmündigt die Empfängerländer auch. Die für den Erfolg der Projekte so entscheidende Eigeninitiative kann sich nicht entfalten. Zudem wird die Hilfe in den Empfängerländern von einer absurd aufgeblähten Entwicklungshilfebürokratie abgewickelt. Manchmal suchen gleichzeitig 40 bis 50 Geber nach "guten" Projekten - die wollen umworben sein. Die in dieser Bürokratie beschäftigten Heerscharen von Beamten fehlen den unterentwickelten Volkswirtschaften an anderer Stelle.

Versuche, die Hilfe durch strenge Auflagen zu konditionieren und damit effektiver einzusetzen, sind aufgrund der Dynamik der Geber-Nehmer-Beziehungen gescheitert, wie die Weltbank desillusioniert feststellt. Die Hilfe fließt selbst dann weiter, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden - auch des- halb, weil die staatliche Hilfe miteinander unvereinbaren Zielen dient. Neben entwicklungs-, geo- und handelspolitischen Interessen soll sie noch die Menschenrechte wahren und den Frieden sichern. Auch weil die Geber untereinander keine gemeinsame Strategie entwickeln, scheitert die Absicht, "gute Politik" durch Hilfe zu belohnen.

Das Argument, dass trotz dieser Defizite wenigstens ein kleiner Teil der Hilfe bei den Armen ankomme, trägt kaum. Abgesehen davon, dass von den durchschnittlich 21 Dollar pro Kopf einige in die Taschen korrupter Staatsdiener gehen und andere in die Geberländer zurückfließen, setzt der verbleibende Rest keine Wachstumsprozesse - die wesentliche Voraussetzung für Armutsbekämpfung - in Gang. Wegen des zwischenstaatlichen Charakters der Hilfe gehen 70 Prozent der Investitionen in den öffentlichen Sektor, insbesondere in Straßen, Flughäfen, Kraftwerke, Telekommunikation und große Wasserversorgungsanlagen, deren Unterhalt die Staatshaushalte überbeanspruchen und die den Armen relativ wenig nützen. Die gern gezeigten "Brunnen in Afrika" sind ganz und gar nicht repräsentativ für die staatliche Entwicklungshilfe.

Der Nutzen ist deshalb so gering, weil die staatliche Entwicklungshilfe von der falschen Prämisse ausgeht, dass nur die notwendige Infrastruktur geschaffen werden müsse, dann würden sich die Produktivkräfte schon entwickeln. Weit gefehlt, wie auch das deutsche Beispiel Aufbau Ost zeigt. Es ist vielmehr wie zu Zeiten der Industrialisierung der heutigen Industrieländer: Die Entwicklung der Produktivkräfte stimuliert die Investitionen und den Aufbau der Infrastruktur, nicht umgekehrt.

Der Drang, in große Infrastrukturprojekte zu investieren, wird noch verstärkt, indem man den Erfolg der Hilfe maßgeblich an der Menge des ausgegebenen Geldes misst. Wer viel für die Entwicklungshilfe gibt, erfährt deshalb internationale Wertschätzung. Diesem Mechanismus entspringen auch die Milliardenzusagen für Afghanistan - die negativen Auswirkungen einer derartigen Politik sind leicht vorauszusehen. In Bosnien kann man sie bereits besichtigen.

Die Entwicklungshilfe für große Infrastrukturprojekte hat noch eine weitere negative Konsequenz. Da die erhofften positiven volkswirtschaftlichen Entwicklungen dieser oft kreditfinanzierten Projekte ausblieben, hat sich die öffentliche Auslandsverschuldung beispielsweise der Länder Afrikas südlich der Sahara zwischen 1980 und 1998 von 5,1 Milliarden Dollar auf 38 Milliarden Dollar erhöht. Bis zu 20 Prozent des Staatshaushaltes müssen die ärmsten Länder heute für den Schuldendienst ausgeben, das Geld fehlt für die Bekämpfung der Armut.

Die untragbar hohe Verschuldung vieler Entwicklungsländer ist mithin nicht nur die Folge eines Regierungsversagens aufseiten der Empfängerländer, sondern auch Konsequenz einer von den Geberländern forcierten Entwicklungsstrategie. Rechnet man die Aufwendungen für die Schuldenlast der alten Kredite gegen die neuen Zusagen, bleibt von der Hilfe netto praktisch nichts übrig. Nach Auffassung der Weltbank ist die Verschuldung heute das größte Hindernis für eine effektive Hilfe.

Die Bilanz nach 40 Jahren staatlicher Entwicklungshilfe ist deprimierend. Positive Entwicklungen in einer großen Zahl von Ländern hätten auch ohne die Unterstützung aus dem Norden stattgefunden. Trotz einzelner erfolgreicher Projekte konnte diese Art Hilfe in der Mehrheit der ärmsten Länder keine positive Entwicklung anstoßen und hat sogar negative Erscheinungen unterstützt. Darüber hinaus besteht die paradoxe Situation, dass die Hilfe zwar so hoch war, dass sie sich negativ auswirken konnte, aber andererseits so niedrig, dass sie die Erwartungen, die "Finanzierungslücke" einer positiven Entwicklung zu schließen, nicht erfüllt hat.

Die gesamte multilaterale und bilaterale staatliche Entwicklungshilfe erreicht 53 Milliarden Dollar im Jahr. Das sind 20 Prozent weniger als die Mittel, die jährlich für den Aufbau Ost von Westdeutschland nach Ostdeutschland fließen, rund 65 Milliarden Dollar. Das zur Entwicklungsfinanzierung benötigte Kapital hat andere Dimensionen. In Afrika südlich der Sahara müssen, um in zehn Jahren Vollbeschäftigung zu erreichen, jedes Jahr etwa 15 Millionen neue Jobs, vornehmlich in der Industrie, geschaffen werden. Die dafür notwendigen Investitionen belaufen sich auf mindestens 350 Milliarden Dollar im Jahr, etwa 15-mal so viel wie die gesamte staatliche Entwicklungshilfe für Afrika.

Entschuldung der Ärmsten

Nur privates Auslandskapital sowie inländische Ersparnisse könnten diese Finanzierungslücke schließen. Doch in die ärmsten Länder fließt kaum privates Kapital. Nur etwas über zwei Prozent der Privatinvestitionen in der Dritten Welt gehen an sie. Allein in Thailand investieren Unternehmen fast doppelt so viel wie in allen Ländern südlich der Sahara zusammen.

Effektive Armutsbekämpfung darf nicht bei der Entwicklungshilfe ansetzen. Dies ist ein Nebenkriegsschauplatz. Der Anspruch beispielsweise der deutschen Entwicklungshilfe, die weltweite Armut erfolgreich zu bekämpfen sowie "die sozial gerechte Gestaltung der Globalisierung" zu erreichen, ist angesichts der dokumentierten Schwächen der öffentlichen Hilfe absurd. Effektive Armutsbekämpfung muss Teil einer integrierten, das heißt ressortübergreifenden Globalisierungsstrategie sein, die nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern vor allem auch in den Industrieländern die Voraussetzungen dafür schafft, dass sich die Produktivkräfte in den ärmsten Ländern entfalten können. Wie sieht eine solche Strategie aus?

Erstens: Den ärmsten Entwicklungsländern müssen faire Handelsbedingungen gewährt werden. Der Norden muss seine für die Landwirtschaft - und damit für die Wachstumsprozesse - in der Dritten Welt tödlichen Exportsubventionen stoppen. Es ist ein Skandal, dass sich Europa im Rahmen der aktuellen WTO-Handelsrunde lediglich auf "Verhandlungen" über den Abbau der Subventionen eingelassen hat.

Gleichermaßen müssen endlich die Zollschranken für den Import von Agrar- und Industriegütern fallen. Im Schnitt werden landwirtschaftliche Importe aus Entwicklungsländern mit fünfmal so hohen Importzöllen wie entsprechende Produkte aus den Industrieländern belegt, für industrielle Importe erreicht die Zollbelastung das Vierfache. Die Verluste aus dieser Abschottung sind statistisch etwa doppelt so hoch wie die gesamte Entwicklungshilfe. In Wirklichkeit sind sie jedoch viel größer. Denn das durch Handelsbeschränkungen "verlorene" Einkommen würde Wachstumsprozesse in Gang setzen, die von der Entwicklungshilfe niemals ausgehen können. Gleichzeitig muss der Westen zugestehen, dass sich die ärmsten Länder in langen Übergangsfristen vor der übermächtigen Weltmarktkonkurrenz der Industrieländer schützen, um eigene Industrien zu entwickeln.

Zweitens: Neben den unfairen Handelsbedingungen ist die hohe Verschuldung das größte Hindernis für die Entwicklung der ärmsten Länder. Sie müssen daher umfassend entschuldet werden. Die auf dem G-7- (G-8-)Gipfel in Köln beschlossene Initiative für die ärmsten, hoch verschuldeten Entwicklungsländer reicht bei weitem nicht aus. Mehr Länder müssen zu realistischeren Bedingungen von der Entschuldung profitieren.

Drittens: Die Entwicklungsländer müssen in den internationalen Institutionen, die über ihr politisches und wirtschaftliches Wohlergehen entscheiden, mitbestimmen können und dürfen nicht länger entmündigt werden. Das gilt vor allem für den Internationalen Währungsfonds, in dem die sieben größten Industrieländer gegenwärtig alle wichtigen Entscheidungen fällen und schon die USA allein diese blockieren können.

Viertens: Es gibt einen breiten wissenschaftlichen Konsens darüber, dass der Süden am schwersten von der globalen Klimaerwärmung betroffen sein wird, die eine wesentliche Ursache im exzessiven Verfeuern fossiler Brennstoffe in den Industrieländern hat. Die Länder des Nordens müssen eine effektive Klimapolitik umsetzen - und zwar zuerst bei sich. Geht es so weiter bisher, werden vorwiegend die Ärmsten der Armen die Opfer der zu erwartenden Naturkatastrophen. Das aber würde alle Bemühungen der Armutsbekämpfung zunichte machen.

Das überflüssige Ministerium

Fünftens: Europa muss eine konsistente und ehrliche Afrikapolitik betreiben. Eine Politik, die sich nicht nur dann empört, wenn wie in Simbabwe Weiße Opfer diktatorischer Machthaber werden, sondern die in allen afrikanischen Staaten den Missbrauch staatlicher Gewalt anprangert. Themen wie Menschenrechte, Demokratie und Frieden können weder der Entwicklungshilfe aufgebürdet noch von dieser jemals zufriedenstellend behandelt werden. Diese Fragen müssen der zwischenstaatlichen Kooperation von Afrika und Europa, die nicht wirtschaftliche und geostrategische Interessen, sondern die Entwicklung des Kontinents zum Mittelpunkt macht, überlassen werden.

Sechstens: Schließlich muss die Entwicklungshilfe "entstaatlicht" werden. Sie darf nicht mehr von Regierung zu Regierung fließen, sondern muss von den Kredite oder Zuschüsse gewährenden Institutionen direkt an die Empfänger gehen. Organisationen aus den ärmsten Ländern müssen bei Banken (etwa der Europäischen Investitionsbank oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau) Kredite zu Vorzugskonditionen beantragen können, und diese Anträge sind unter ausschließlich bankmäßigen Kriterien zu prüfen. Zusätzlich sollten fachliches Know-how und Wissen zu geringen Kosten durch Stiftungen aus den Industrieländern, die man durch staatliches Stiftungskapital verstärken kann, zur Verfügung gestellt werden. Auch hier zählt nur die Qualität der Anträge; der Staat bleibt außen vor, die Initiative geht von den Entwicklungsländern aus. Die Entmündigung hat ein Ende, Eigeninitiative sowie ownership werden gefördert. Nur die besten Projekte kommen zum Zuge. Die aufgeblähte Entwicklungshilfebürokratie in Nehmer- und Geberländern wird abgeschafft, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgelöst.

Alle diese Maßnahmen zusammen machen eine effektive Strategie der Armutsbekämpfung aus, die für die Industrieländer nicht weniger bedeutet, als Ressourcen, Macht, Einfluss und Chancen fair zu teilen und die Entwicklungsländer als selbst verantwortliche Partner ernst zu nehmen.

Klar, einen solchen Strategiewechsel kann nicht ein Land allein stemmen. Aber Deutschland könnte die notwendige Diskussion vorantreiben, insbesondere in Europa. Dies stünde einer deutschen Regierung gut an, wäre doch eine integrierte Strategie der Armutsbekämpfung als Teil einer Globalisierungsstrategie auch eine Alternative oder Ergänzung zur militärischen Strategie im Kampf gegen den Terrorismus. Das von den deutschen Parteien, die allesamt die Globalisierungsdebatte verschlafen haben, zu erwarten ist nicht zu viel verlangt. Die Bekämpfung der Armut darf sich nicht länger - weil das Verteilen von Almosen nicht wehtut - auf das am wenigsten wirksame und teuerste Mittel, nämlich die Entwicklungshilfe, konzentrieren.

Und die Politik darf nicht davor zurückschrecken, sich anzulegen - mit der heimischen Agrar- und Textilindustrie und deren Gewerkschaften, der eigenen Entwicklungshilfebürokratie, den Eliten der armen Länder, der internationalen Finanzwelt und den unzähligen Organisationen, für die Forderungen nach mehr Entwicklungshilfe zum politisch korrekten Ritual geworden sind.